Von Hülya Atasoy
43-Jähriger wartet auf dritte Nierentransplantation
Ein guter Job, eine hübsche Frau und nette Kinder: Eigentlich müsste Frank Paetzel in seinem Leben glücklich sein. Eigentlich. Er ist es aber nicht, denn der 43-Jährige leidet an einer unheilbaren Nierenerkrankung – und die beherrscht sein ganzes Leben. „Seit über 25 Jahren wird man jeden Tag aufs Neue mit dem Tod konfrontiert. Ich habe das alles so satt“, sagt der 43-Jährige – erschreckend ehrlich und unerwartet offen – im wort.lu-Interview.
Das Treffen mit Frank findet in einer Altbau-Wohnung in Luxemburg-Stadt statt. Beste Lage, zentral, moderne Einrichtung. Beim Betreten der Wohnung fällt der Blick sofort auf eine riesige Bücherwand, davor steht ein gemütlicher Sessel. Links davon befindet sich das Esszimmer, rechts ist der Wohnbereich – mit einer großen Eckcouch. Cognacfarbenes Leder. Wir setzen uns.
„Ich leide am Alport-Syndrom“, beginnt Frank in einem ruhigen Ton zu erzählen. Die Krankheit sei erblich, sagt er. „Den Gendefekt habe ich schon seit der Geburt, doch ausgebrochen ist die Krankheit bei mir erst im Jugendalter. Die Diagnose bekam ich, als ich 14 Jahre alt war.“ Heilungsmöglichkeiten gibt es keine.
Zwei Transplantationen in 20 Jahren
Bis heute hat er zwei Transplantationen hinter sich gebracht. Die erste Niere, eine Totenspende, bekam er vor fast 20 Jahren. Da hatte er sich schon fünf Jahre lang einer Dialysebehandlung unterziehen müssen. Rund viereinhalb Jahre lang ging alles gut, doch dann stieß sein Körper plötzlich das fremde Organ ab, woraufhin er erneut zur Dialyse musste.
Nach mehreren Monaten wurde schließlich eine zweite Transplantation bei ihm durchgeführt. Dieses Mal spendete ihm seine eigene Mutter eine Niere, doch auch diese versagte nach einiger Zeit ihren Dienst. Das war vor etwa einem Jahr. „Der Grund ist unklar. Vielleicht war einfach die Zeit abgelaufen“, sagt Frank rückblickend.
Dialysen: Lebensnotwendig aber kräfteraubend
Nach diesem Vorfall sind bei Frank wieder regelmäßige Dialysen notwendig geworden. Drei Mal pro Woche fährt er dafür in ein Krankenhaus auf Kirchberg, um sich dort einer jeweils vierstündigen Blutwäsche zu unterziehen. Wenn auch diese Maßnahme lebensnotwendig für ihn ist, so raubt sie ihm gleichzeitig alle Kräfte. „Das ist für mich wie ein Marathonlauf – unglaublich strapaziös. Ich fühle mich danach immer müde, die Gliedmaßen sind schlapp und ich kann mich nur schwer konzentrieren. Dazu kommen noch Schwindelanfälle“, umschreibt Frank die Nebenwirkungen der Dialyse.
Daneben muss der 43-Jährige auch noch eine strenge Diät halten und darf nur phosphat- und kaliumarme Kost zu sich nehmen. Verschiedene Obstsorten, Kartoffel- oder Milchprodukte, Fleisch und Fisch sind tabu oder nur in geringen Mengen erlaubt. Mehr noch als diese Einschränkung macht ihm aber der Umstand zu schaffen, dass er am Tag nur noch eine begrenzte Flüssigkeitsmenge (maximal 500 ml) zu sich nehmen darf. „Ich fühle mich wie ein Mann in der Wüste: Ich habe immer Durst.“
Frank und Aysen: „Auch unsere Beziehung leidet.“
Einschränkungen im Job
Abstriche erfordert seine Krankheit überdies in beruflicher Hinsicht. Frank arbeitet als Contract Manager bei einem großen Mobilfunkunternehmen und da stehen oft Reisen an. Einfach so antreten kann er diese aber nicht, da er sie immer mit den Behandlungen in der Klinik terminlich abstimmen muss. „Das ist schwierig und erfordert viel Organisation.“ Er kann aber dabei auf das Verständnis bzw. das Entgegenkommen seines Arbeitgebers setzen. Speziell seine Vorgesetzten seien ihm stets eine große Stütze gewesen, dies auch, weil er für die Dauer der Dialysen von der Arbeit freigestellt ist.
Frei von Existenzängsten ist Frank trotzdem nicht. Mehr noch: Sein Leben wird von der Unsicherheit regelrecht beherrscht und das belastet unter anderem auch die Beziehung zu seiner Frau. Ausgehen, Spaß haben oder auch einfach spontan sein: Das alles ist nicht mehr möglich. Durch die Krankheit sei schlichtweg die Lebensqualität gemindert, sagt dazu seine Lebenspartnerin Aysen. Abends zum Beispiel, wenn man mit dem Partner über den Tag reden möchte, fehle ihrem Mann oftmals die Kraft dazu. „Ich versuche damit umzugehen, indem ich Frank helfe und ihn unterstütze. Frustrierend ist jedoch dabei, dass ich ihm nicht helfen kann. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
Im vergangenen Jahr ließ sich die 28-Jährige sogar selbst testen, ob sie als Spender in Frage kommt. Allerdings fiel das Ergebnis ernüchternd aus: Ärzte rieten von einer Transplantation ab, da die Aussichten auf Erfolg als zu gering eingeschätzt wurden. Frank hat zu viele Antikörper gegen die Organe seiner Frau und somit wäre es für ihn mit einem zu hohen Risiko verbunden.
Kritik an Luxemburger Organspende-Bereitschaft
Wie es nun weiter geht, weiß Frank nicht. Er ist sich aber sicher, dass ihm ohne eine Spende nicht mehr viele Jahre bleiben, dass er einfach durch die „Nebenwirkungen der Dialyse“ in eine lebensbedrohliche Situation gerät. Nie könne er abschalten, immerzu müsse er über seine Lage nachdenken. Man beschäftige sich mit nichts anderem mehr, sagt er. Dabei machen ihm nicht nur die aktuelle Situation und das nervenaufreibende Warten auf eine neue Niere zu schaffen. Verärgert, ja beinahe wütend ist Frank auch über die Luxemburger Organspende-Bereitschaft.
„In Deutschland ist die Situation schon schlimm, doch hier in Luxemburg ist sie katastrophal.“ Denn obwohl hierzulande bei einem herztoten Menschen Organentnahmen möglich wären, werden sie nicht vollzogen, erklärt er. Stattdessen kämen – abgesehen von den Lebendspenden – nur Spenden von hirntoten Menschen in Frage. Dieser Prozentsatz sei aber sehr gering und bewege sich im einstelligen Bereich. „Der häufigste Tod ist der Herztod. Sicherlich ist es aufwändiger und in logistischer Hinsicht komplizierter, bei diesen Toten Organe zu entnehmen. Doch wenn eine Knappheit besteht, dann sollte das auch gemacht werden. Meiner Meinung nach besteht hier noch Optimierungsbedarf.“
Spendersuche per Facebook
Alles in allem ist die Verzweiflung groß. Sehr groß sogar. Frank hat daher beschlossen, selbst etwas zu tun und aktiv zu werden. Der Weg, den er dabei geht, ist jedoch recht ungewöhnlich. Denn während andere Menschen soziale Netzwerke hauptsächlich zur Kontaktpflege ihrer Freundschaften nutzen, hat Frank dort eine Seite aus einem ganz anderen Grund erstellt. Unter dem Profilnahmen „Frank P. Needs Kidney“ will er nämlich aufmerksam machen – nicht nur allgemein auf das Thema Organspende, sondern auch auf seinen eigenen Fall.
Vielleicht, so sagt er, könne er damit Menschen erreichen, die sich dann zumindest mal über das Thema Gedanken machen. Vielleicht ist aber noch mehr möglich: „In den USA ist es gang und gäbe, soziale Netzwerke für die Spendersuche zu nutzen“, sagt Frank, ein wenig in der Hoffnung, selbst auf diesem Weg seinen Lebensretter zu finden.